Aus dem Leben des
Klosterdrachen Konradin

Kapitel II:
Worin Konradin viel spuckt und wenig schläft

Kapitell

Besonders gern war Konradin in der Klosterkirche unterwegs. Die war groß genug, um darin herumzufliegen. Und wenn es draußen regnete, wurde er hier drinnen nicht nass. Das ist ja heute leider anders. Gerne guckte sich der kleine Drache die Kapitelle an. So heißen die Enden der Pfeiler und Säulen. Die könnt ihr, wenn ihr ganz nach oben schaut, auch heute noch sehen.

Kapitelle

Konradin suchte sich immer eins ohne Verzierungen, klammerte sich daran fest und versuchte, seine grünen Flügel wie Blätter aussehen zu lassen. Das hatten die Steinmetze und Bildhauer ja auch manchmal versucht. Er überlegte auch einmal, ob er sich ein paar Äpfel an die Flügel binden sollte. Schließlich hatten ja auch einige Kapitelle solche dicken runden Kugeln, die wie Knospen aussahen. Aber er hatte ein bisschen Angst, dass die Äpfel dann den Mönchen auf den Kopf fallen könnten.

Die Mönche konnte er von hier oben gut beobachten. Oft, wenn sie nach dem Nachtgebet in den Schlafsaal gingen und der letzte die Kerzen auspustete, flog Konradin leise los und spuckte die Kerzen wieder an. Und so musste der arme Mönch jede Kerze drei- oder viermal auspusten, bevor auch er die Treppe zum Schlafsaal hinauftappen konnte.

Ritter

Als Konradin zum ersten Mal nachts allein in der Kirche war, regnete es draußen und er beschloss, sich hier drinnen einen warmen Schlafplatz zu suchen. Er flog etwas herum und fand im Seitenschiff neben der Treppe zum Schlafsaal eine kreis­runde Fenster­nische. Hier rollte er seinen Schwanz zu einem Kissen zusammen, deckte sich mit seinen Flügeln zu und fing gleichzeitig an zu schnarchen und zu träumen.

Prinzessin

Gerade als er es fast geschafft hatte, den letzten Riegel zu zerbeißen, mit dem das Verlies zuge­sperrt war, in dem Swar­ten­bold, der Ritter, der einen Vogel hat, die schöne Prinzessin Meli­san­da ge­fan­gen hielt, erschallten plötz­lich Glocken­schläge. Konra­din er­schrak, wachte auf und be­kam einen Schlag auf den Kopf. Er dachte, Swar­ten­bold, der Ritter, der ei­nen Vogel hat, hätte ihm eins mit seinem Schwert über­ge­zogen, aber er hatte sich nur in der Fenster­nische gestoßen. Konradin rieb sich verwirrt die Augen und lauschte: kein Läuten mehr.

Er spitzte seine Ohren noch spitzer. Er hörte ein Knarzen und viel Geschlurfe. Er lugte um die Ecke und sah, wie sie sich eine lange Reihe von Mönchen langsam in den Chorraum schlängelte. Dann begannen die Mönche gemeinsam zu beten. Mitten in der Nacht! Das hatte Konradin völlig vergessen! Auch sein Psalm wurde ja, wenn er dran war, immer nachts gesungen, beim ersten Gebet des Tages, das die Mönche Vigil nannten. Konradin betastete die Beule an seinem Kopf und beschloss, nicht wieder in der Kirche zu übernachten. Sonst könnte er niemals lange genug träumen, um die Prinzessin zu retten.


Kapitel III: In dem sich Konradin und Laubertus begegnen

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Die farbigen Illustrationen dieser Seite basieren auf drei Abbildungen aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Zürich entstand, © Universitätsbibliothek Heidelberg, CC-BY-SA 4.0, Bild ID 12756, Bild ID 12747 und Bild ID 12711, sowie auf Abbildungen aus dem und Liber Psalmorum des Klosters Arnsburg, © Universitätsbibliothek Gießen, CC-BY-NC-SA 3.0, HS NF 45 fol 35v fol 103v. Die beiden Zeichnungen von Carl Bronner sind gedruckt in: Heinrich Walbe (Bearb.), Die Kunstdenkmäler des Kreises Giessen Bd. 2: Kloster Arnsburg mit Altenburg, Darmstadt 1919, Abb. 17 und 51.


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