Aus dem Leben des
Klosterdrachen Konradin
Kapitel IV:
An dessen Ende Konradin keine
Angst mehr hat und einen Beschluss fasst
»Wer bist Du denn?«, brummelte das Blättergesicht weiter und raschelte etwas, wobei ein wenig Mörtelstaub auf Konradin herabrieselte. Aber der war noch viel zu erschrocken, um schon wieder Angst vor herabpolternden Steinen zu haben und holperte stattdessen stracks seine Antwort heraus: »Ich bin Konradin, der Wächter des 44. Psalms. Und Du?« »Ich bin Laubertus, der Schlussstein« staubrieselte es von oben und Konradin nieste eine kleine Schäfchenfeuerwolke. Dann war es still und Laubertus grübelte, was wohl ein Psalmwächter sei, und Konradin fragte sich, was wohl ein Schlussstein sei. Und als der Denkqualm ihnen schon fast aus den Ohren kroch, hatten beide fast im selben Moment die gleiche Idee: »Wwaass iisstt ddeennnn eeiinn Psscahllmuwsäscshtteeirn??«
So jedenfalls klang das für den Mönch, der auf seinem Kerzen-Auspust-Weg gerade an der Kapelle vorbeikam. Er fragte sich aber gar nicht, was das wohl heißen könnte. Er freute sich nur darüber, dass Konradin offenbar beschäftigt war und ihm wenigstens heute Abend die Kerzen nicht wieder anpusten würde.
Laubertus und Konradin stellten unterdessen fest, dass es besser ist, nacheinander zu reden. Also fragte Laubertus noch einmal: »Was ist denn ein Psalmwächter?« Konradin freute sich, denn es machte ihm viel Spaß, Dinge zu erklären. Nun, ihr wisst ja schon, was er Laubertus nun erzählte, das stand ja schon im ersten Kapitel.
Als er fertig war, fragte er Laubertus: »Was ist denn ein Schlussstein?« Da erklärte Laubertus stolz: »Der Schlussstein ist der letzte Stein, der in ein Gewölbe eingesetzt wird. Er ist der größte und schwerste Stein des Gewölbes, er kommt ganz nach oben und er hält alle anderen Steine zusammen.« Da staunte Konradin. »Also Du passt auf, dass die anderen Steine mir nicht mit einem großen Karachoplumps auf den Kopf poltern?« »Genau«, sagte Laubertus, obwohl er nicht so recht wusste, was ein Karachoplumps ist. Konradin war froh, weil er nun keine Angst mehr haben brauchte. Wenn Laubertus auf die anderen Steine aufpasste, würden sie ihm nicht auf den Kopf plumpsen, selbst wenn sie bei den Lehrgerüsten geschlafen hätten. Aber das bedeutete ja auch, das Laubertus nie aus seinem Gewölbe weg konnte! Also beschloss Konradin, ihn ganz oft zu besuchen, damit Laubertus sich nicht langweilen musste.
Kapitel V: Welches Konradin plötzlich beendet
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Kapitel I: Worin sich der
Klosterdrache Konradin schnell langweilt
Kapitel II: Worin Konradin
viel spuckt und wenig schläft
Kapitel III: In dem sich Konradin
und Laubertus begegnen
Kapitel IV: An dessen Ende Konradin keine
Angst mehr hat und einen Beschluss fasst
Kapitel V: Welches Konradin plötzlich beendet
In unregelmäßigen Abständen werden weitere Kapitel folgen...
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Das Bild des Drachen Konradin basiert auf Abbildungen aus dem Liber Psalmorum des Klosters Arnsburg. © Universitätsbibliothek Gießen, CC-BY-NC-SA 3.0, HS NF 45 fol 35v und fol 116r. Die untere Illustration stammt aus CATHEDRAL von David Macaulay. Copyright © 1973 David Macaulay. Verwendet mit freundlicher Genehmigung der Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company. Alle Rechte vorbehalten.